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  • AutorenbildFlorian Hasler

Wie ein smarter Investor zu den Wildbienen kam

Martin, als erfahrener Venture Capital / Private Equity Investor hast du jahrelang mit Anlage-Millionen jongliert. Heute als operativer CEO von Wildbiene + Partner trägst du die Verantwortung für Millionen von Wildbienen, die jedes Jahr Blumen und Obstbäume bestäuben. Wie kam es zu diesem Richtungswechsel?

Dieser Wechsel lässt sich wahrscheinlich primär damit erklären, dass ich persönlich nach einer intensiven Zeit als Investor nicht mehr nur mit und für das Geld arbeiten wollte. “Natural capital” ist das Schlagwort, das mich motiviert. Es geht also um eine Investition in die weltweiten Bestände an Naturgütern, zu denen Geologie, Boden, Luft, Wasser und alle Lebewesen gehören. Bei den Bienen sprechen wir von einer der wichtigsten Ressourcen. Es könnte schon bald zur Realität werden, dass eine Million Bienen mehr wert sind als eine Million einer heute gängigen Landeswährung.

Wie kommt ein Finanzinvestor auf die Idee, in ein Wildbienen-Unternehmen einzusteigen?

Vor fast einem Jahrzehnt hat mich – wie vielleicht viele andere Menschen in unseren Breitengraden auch – der Dokumentarfilm “More Than Honey” von Markus Imhoof berührt. Bald darauf habe ich die beiden Gründer des ETH-Spinoffs Wildbiene + Partner getroffen, und wir haben uns auf Anhieb gut verstanden. Ich habe mich zuerst als Angel-Investor an der jungen Firma beteiligt und bin heute operativ als CEO dabei. In einem Wachstumsunternehmen mitzuwirken, ist sehr spannend. Ich mag die kurzen Entscheidungswege in einem kleinen Team, schätze die Innovation und versuche stets, mich nebst dem operativen Tagesgeschäft auch auf die grösseren Zusammenhänge – “the big picture” – zu konzentrieren. Gleichzeitig wandeln wir als Firma wie auch als Mitarbeitende emotional immer mal durch tiefe Täler, bevor wir wieder schwindelerregende Höhen erreichen. Das liegt in der Natur eines Start-ups, das die verschiedenen Reifephasen durchlebt. Man erlebt dies sehr viel intensiver, wenn man zum Management einer Firma gehört, als in der Rolle als Investor. Trotz meiner bisherigen Erfahrung auf “beiden Seiten des Tisches” kann ich immer dazulernen und gleichzeitig zum Wachstum beitragen.

Du wolltest nach fast zwanzig Jahren als Investor endlich wieder operativ in ein Unternehmen einsteigen. Was hat dich an Wildbiene + Partner denn so gereizt?

Ich bezeichne mich als “Entrepreneur at heart”. Mit 18 Jahren gründete ich, noch als Kantonsschüler, meine erste Firma, mit der ich amerikanische Getränke importierte. Das war 1994. So habe ich bereits relativ früh erste wertvolle Erfahrungen mit einem eigenen Geschäft sammeln dürfen. Mit Wildbiene + Partner bot sich nicht nur eine attraktive Investition verbunden mit einer “Herzensangelegenheit”. Es reizte mich auch, wieder operativ mitzugestalten. Es geht um “more than money”. Wir haben auf unserem Planeten zunehmend Schwierigkeiten aufgrund von Klimaveränderung, Monokulturen, Parasiten und Krankheiten, was unter anderem zu einem Massensterben bei Insekten führt. Wir sind als Firma daran, aktiv etwas dagegen zu tun. Wir bauen zum Beispiel momentan die grösste Population von Solitärbienen – genauer Mauerbienen – durch natürliche Vermehrung aus. Gleichzeitig führen wir einen neuen, nachhaltigen Bestäuber in die Industrie ein, der nebst Honigbiene und Hummel einen wichtigen Beitrag zur Lebensmittelsicherung beitragen wird; zumal ein Drittel unseres Essens von der Bestäubung abhängt. Die Mauerbiene hat im Vergleich zur Honigbiene natürliche Fähigkeiten. Sie fliegt zum Beispiel bei tieferen Temperaturen, kann beim Blütenbesuch eine höhere Bestäubungsrate vorweisen oder bewegt sich in einem kleineren Radius. Das macht sie gemäss einer Studie bis zu 300-mal effizienter.

Was ist euer Geschäftsmodell?

Wir halten die Bienenkokons bei uns über den Winter fachgerecht im Kühlschrank und inkubieren diese im Frühling, abgestimmt auf die Blühzeiten der verschiedenen Kulturen. Somit bieten wir einen “Bestäubungsservice auf Abruf” für den professionellen und nachhaltigen Obstanbau. Zudem steht die Biodiversität im Mittelpunkt unseres Handelns. Wir laden alle dazu ein, selber ein paar freundliche Mauerbienen bei sich zu Hause in einem BeeHome willkommen zu heissen und den Garten oder Balkon mit bienenenfreundlichen Wildblumen zu bestücken. Unsere Bemühungen betonen den grossen Unterschied, den kleine Massnahmen für ein bestäuberfreundliches Umfeld bewirken können. Es geht also nicht nur darum, der Natur durch Schutz Sorge zu tragen, sondern eben proaktiv etwas für sie zu tun. Wir haben die Verantwortung, dies auch unseren Kindern weiterzuvermitteln. Weshalb nicht durch die Botschafterin Wildbiene?

Wildbiene + Partner ist nicht in erster Linie – aber auch – ein gewinnorientiertes Unternehmen. Stört dich die Kritik, dass ihr mit Insekten Geld verdienen wollt?

Die klassische Honigbienenzucht ist Jahrtausende alt und bewegt sich heute in einem Marktbereich von über zehn Milliarden Schweizer Franken. Es ist deshalb unangebracht, durch Kritik mit Kanonen auf Spatzen zu schiessen, zumal wir gerade versuchen, mit einem neuen, ergänzenden Ansatz zur Bestäubungssicherheit beizutragen. Wer uns kritisiert, kennt meistens nicht einmal die halbe Wahrheit darüber, wer wir sind und was wir alles machen. Wir sind längst nicht die Einzigen, die sich im Markt mit “beneficial insects” behaupten. Doch wir sind einzigartig, weil wir auf nachhaltige und natürliche Vermehrung setzen und zum Beispiel im Verbreitungsgrad unserer Wildbienen biogeografische Zonen beachten.

Ihr habt starke Investoren im Rücken, erwirtschaftet aber noch keinen Gewinn. Kann man mit Wildbienen überhaupt Geld verdienen?

Unsere Investoren sind bis anhin mehrheitlich Private und Family Offices, die längst erkannt haben, dass ihr “Impact Investment” nicht einfach möglichst schnell den grössten Profit abwerfen soll. Vielmehr geht es darum, nachhaltig einen grossen Einfluss durch einen Paradigmenwechsel zu erreichen. Der Begriff Paradigmenwechsel trifft bei den Wildbienen insofern sehr gut zu, als dass zwar über Jahrzehnte wissenschaftliche Studien mit Mauerbienen gemacht wurden, aber noch nie jemand im grossen Stil mit einer Investition diese überlegenen Bestäuberinnen mit einem spannenden Geschäftsmodell in die Praxis eingeführt hat. Die Gewinnzone zu erreichen, ist wichtig. Doch geht das meistens auf Kosten des Top-Line-Wachstums. Der Firmenwert kann dementsprechend nicht nur aus dem Ertragswert abgeleitet werden, sondern besteht auch aus dem Substanzwert, also aus den Wildbienen, und dem Alleinstellungsmerkmal der strategischen Positionierung. Es gibt meines Wissens keine andere Firma in dem Bereich, die sich so einzigartig mit einer stetig wachsenden Mauerbienenpopulation positioniert. Bis anhin sind über fünf Millionen Franken an Investorengeldern in die Expansion der Firma eingeflossen; und wir planen nächstens eine weitere Finanzierungsrunde. Diese soll auch für Kleininvestoren zugänglich gemacht werden. Eine Investition in Naturgüter kann nicht nur nachhaltig, sinnvoll und gut für die Diversifikation eines Portfolios sein, sondern man kann – über Zeit – auch Geld damit verdienen. Das ist meine persönliche Überzeugung.

Wie haben sich Umsatz und Ergebnis seit deinem Einstieg entwickelt? Was sind eure finanziellen Ziele?

Wir sind etwas zurückhaltend, öffentlich genaue Zahlen zu kommunizieren. Um es grob zu umschreiben: Wir bewegen uns im Umsatz immer noch im einstelligen Millionenbereich. Wir konnten aber dank einer starken BeeHome-Community, die momentan circa 170’000 Mitglieder zählt, während der letzten Jahre ein Umsatzwachstum CAGR von circa 25 Prozent verzeichnen. Das ist erst der Anfang, denn das Thema bleibt topaktuell. Wir haben einen starken Lösungsansatz und expandieren in den umliegenden europäischen Ländern und den USA, wo der Markt riesig ist. Dabei ist uns klar, dass wir nicht alles gleichzeitig und sofort machen werden. Wir wägen sorgfältig ab einerseits zwischen der Investition in die wachsende Wildbienenpopulation, der operativen Verbesserung und dem Marketing für stetiges Umsatzwachstum und andererseits den ambitionierten Expansionsplänen.

Wildbiene + Partner beschäftigt momentan in Zürich und den Tochterunternehmen in Frankreich, Deutschland und Italien circa 22 feste Mitarbeitende und dutzende Saisonkräfte. Zugleich wächst der Bestand an Wildbienen von Jahr zu Jahr. Wo liegen die Grenzen des Wachstums für euch?

Eine Deckelung setzt uns sicher die Vermehrungsrate der Wildbienenpopulation. Denn Mauerbienen vermehren sich nur einmal jährlich. Die Wachstumsgrenzen setzen wir uns zum Teil aber auch selber, da wir nicht schneller laufen sollten, als wir Kraft haben. In anderen Worten sind wir als kleine Firma bereits wie ein Mini-Konzern in verschiedenen Länder unterwegs und müssen deshalb überlegt vorgehen.

Werden in zehn Jahren immer noch Wildbienen das Kerngeschäft von Wildbiene + Partner sein?

Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass die Firma dann nicht mehr Wildbiene + Partner heissen wird, sondern die grundverschiedenen Einheiten bereits in Käuferfirmen eingebettet sind. Dies vorausgeschickt, wird der Kern immer noch aus Wildbienen bestehen, vor allem in der professionellen Bestäubung für frühblühende Kulturen im B2B-Bereich. Im BeeHome-Bereich – also B2C – werden wir bereits in den nächsten 24 Monaten die Biodiversität als Ganzes adressieren. Das heisst konkret: Alle, die sich dafür interessieren, mehr für die Artenvielfalt von Tieren, Pflanzen und Lebensräumen zu tun, finden bei uns Inspiration für ihr Handeln – im Grossen und Kleinen auf dem eigenen Balkon im Siedlungsraum oder im Garten in ländlicher Gegend. Hier geht es um die Frage: Welche Pflanzen und Nistmöglichkeiten bieten wir unseren Tieren in der Natur, wenn wir ihnen vermehrt ihren Lebensraum wegnehmen? Das BeeHome inklusive friedlicher Mauerbienen ist das ideale Starter-Set, um das wichtige Thema mit Selbstverantwortung anzugehen. Dafür muss man weder selber Spezialistin oder Spezialist sein noch sich viel Zeit dafür nehmen.

Ihr seid bekannt für die Wildbienen-Häuschen BeeHome, bei denen Mauerbienenkokons im Preis enthalten sind. Wie viele BeeHomes hast du bei dir zu Hause? Für jedes Kind eines?

Nein, ich habe mehr als sechs BeeHomes zu Hause! (lacht) Ein paar dienen rudimentären Versuchszwecken, die anderen werden im Frühling – also in der Flugsaison der Mauerbienen – stark frequentiert. Trotzdem wimmelt es nicht von Insekten bei uns am Esstisch im Garten. Denn Mauerbienen interessieren sich nicht für Süsses oder Salziges auf dem Tisch. Es gibt zudem viele andere Wildbienenarten, die sich auch im Sommer vermehren und ebenfalls im BeeHome nisten. Es ist, wie wenn man ein pflegeleichtes Haustier hat, ohne dass man dafür etwas tun muss. Das Beobachten aus der Nähe lehrt mich immer wieder, die Natur und unsere Wildbienen zu schätzen.

ZUR PERSON MARTIN RUETZ Martin Ruetz, CEO von Wildbiene + Partner, hat einen Bachelor of Business Administration der Zürcher GSBA und ein Diplom der Handelsmittelschule. Bis 2014 war er Mitglied des Private-Equity-Teams der Partners Group AG in Baar-Zug, Schweiz sowie Mitglied des Private Equity Secondary Investment Committees. Er trat 1999 in die Partners Group AG ein und verliess das Unternehmen nach 14 Jahren als Senior Vice President. Zwischen 2005 und 2008 lebte er in Grossbritannien, um beim Aufbau der Präsenz von Partners Group (UK) Ltd mitzuhelfen. Er war Mitglied mehrerer Beiräte europäischer Private-Equity- und Risikokapital-Fonds. Martin Ruetz leitete im Auftrag des Unternehmens auch die gemeinnützigen Aktivitäten für die Partners Group auf globaler Basis. Bevor er zur Partners Group kam, gründete er ein Import- und Einzelhandelsunternehmen und war Vertreter von CMC Taste America. Er ist verheiratet, Vater von sechs Kindern und lebt in der Nähe von Zürich. Seine Freizeit verbringt er mit der Familie und beim Joggen.

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